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dieser beitrag wurde verfasst in: deutsch (ger/deu/de)

verfasserin/verfasser: Matthias Vogel

titel: Idylliker als Skandalkünstler. Die Wandbilder von Paul Bodmer und Hermann Huber für das neue Universitätsgebäude

+: in: von Moos, Hildebrand, Kunst-Bau-Zeit 1914—2014. Das Zürcher Universitätsgebäude von Karl Moser, Zürich 2014, S. 270—293

«Bei Wanddekorationen um 1910 wurde als selbstverständlich erachtet, dass sich die Historienmalerei in den Dienst der dominanten Schwesterkunst Architektur stellt. Auch wenn von der Bauleitung kein inhaltliches Programm für die Wanddekorationen vorgegeben worden war, schwebten einem grossen Teil der politischen Auftraggeber Allegorien des Wissens und des Wissenserwerbs vor. Diese sollten nicht nur mit der Funktion des Gebäudes und seiner Architektur eine Synthese bilden, sondern inhaltlich und ästhetisch ansprechend sein. Die Zürcher Künstler machten die Universität bis zu einem gewissen Grad zum Experimentierfeld, indem sie sich vor allem dem technisch-formalen Virtuosentum, der akademischen Aktdarstellung, der Zentralperspektive und dem Illusionismus jeglicher Art verweigerten. Gegen die gängige Symbolik setzten sie zum Teil Bildlösungen, die dunkel und unverständlich waren, da sie mehr individuellen Mythologien und weniger der Bildtradition folgten. Gerade Bodmer hatte bei aller Entsexualisierung seiner Figuren ein androgynes Ideal vor Augen, das latent mit Homorerotik aufgeladen war. Der Ephebenkult, der seit der Décadence in vielen Teilen Europas gepflegt wurde, besass im Freundeskreis von Otto Meyer-Amden bei aller Blässe auch etwas Subversives, indem er das in der Eidgenossenschaft verbreitete Ideal eines harten, athletischen und wehrbereiten Mannes in Frage stellte. Das stark introvertierte kontemplative Lebensgefühl, das in den gesamten Kompositionen, aber auch in den einzelnen Figuren zum Ausdruck kommt, besitzt mystisch pantheistische oder zumindest naturreligiöse Dimensionen.»