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dieser beitrag wurde verfasst in: deutsch (ger/deu/de)

verfasserin/verfasser: Monika Flacke

titel: Auftragskunst der DDR 1949—1990

isbn: 3-7814-0380-7

+: Berlin 1995

«[Alfred] Kurella war ein tief überzeugter Anhänger der Kunsttheorie von Georg Lukács, die nach der Klassik nur noch Niedergang und Dekadenz zu erkennen vermochte und von 'den Volksmassen' eine neue Phase, einen völlig neuen Anlauf in der Kunstentwicklung erhoffte, den es bei aller Unfertigkeit der 'Pioniere' dieses Anlaufes zu fördern galt. […]

Sozialismus erschöpfte sich für ihn nicht in materiellem Wohlergehen aller Teile der Bevölkerung, er verstand ihn vielmehr als kulturelle Bewegung, durch die die bis dahin unterprivilegierten Schichten auf ein 'höheres Niveau gehoben' werden und von dort die Überlegenheit dieser Gesellschaft gegenüber der 'dekadenten Konsumgesellschaft der Westens' erkennen sollten. Insofern war Kurellas Verständnis des 'sozialistischen Realismus' grundverschieden vom Verständnis [Andrej] Shdanows. Kurella ging es nicht, zumindest nicht primär, um eine Ausschaltung der Künstler als potentieller Konkurrenten der Politiker. Er wollte die Künstler zu einem Medium für die kulturelle Bildung 'des Volkes' machen. Ob der Realismus dabei tatsächlich seinen ästhetischen Neigungen entsprach, ist nicht eindeutig zu klären. Belegbar ist aber, dass er Untersuchungen anstellen liess, was Nicht-Intellektuelle ansprach — und das war die gegenständliche Kunst. Kurellas Ansatz zur 'Erhöhung des kulturellen Niveaus' der Bevölkerung zielte auf eine enge Verbindung der Kunstproduzenten mit den Rezipienten. Das Ziel wurde in der Losung 'Künstler und Volk sind eins' zusammengefasst, die Künstler sollten sich während ihres Schaffens ständig mit den 'Werktätigen' auseinandersetzen und so sich gegenseitig befruchten. Postuliert wurde dieser Weg, vorrangig für die Literatur, 1959 auf der Bitterfelder Konferenz.

Neben der Entwicklung der DDR-Literatur konzentrierte sich Kurella sofort nach seiner Amtsübernahme im Herbst 1957 auf die bildende Kunst. Der Bezirk Halle, für Berliner Funktionäre nicht nur in Fragen der bildenden Kunst der 'Problembezirk' […], wurde zum Probefeld im 'entschiedenen Kampf gegen die modernistischen und dekadenten Auffassungen'.»

(Jörn Schütrumpf, in: Flacke 1995, S. 22—23)