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dieser beitrag wurde verfasst in: deutsch (ger/deu/de)

künstler (in grau: assistent/in): Werner Tübke, Wolfgang Böttcher, Gerhard Eichhorn, Paul Eisel, Walter Eisler, Michael Gawlick, Helmut Felix Heinrichs, Thomas Holle, Andreas Katzy, Edgar Lange, Eberhard Lenk, Norfried Pahler, Volker Polenz, Matthias Steier, Helmut Symmangk, Heinz Wagner, Gert Weber, Dietrich Wenzel

titel: Frühbürgerliche Revolution in Deutschland

jahr: 1975-87

adresse: Am Schlachtberg 9, Bad Frankenhausen, Thüringen, Deutschland

+: Cyclorama, 14.5 x 123 m

«Der „muralismo" blieb auch in den folgenden Jahrzehnten als signifikanter Orientierungspunkt Tübkes bestehen und manifestierte sich insbesondere in dessen Arbeit am Historienbild. So können die Positionen der Muralisten Rivera, Siqueiros und Orozco schließlich auch an Tübkes Opus eximium, dem monumentalem, altmeisterlich gemaltem Panoramabild „Frühbürgerliche Revolution in Deutschland" 257 abgelesen werden, das als Auftragsarbeit für die Bauernkriegs-Gedenkstätte „Panorama" zwischen 1976 und 1987 auf dem Schlachtberg im Thüringischen Bad Frankenhausen entstand und das mit einer Gesamtfläche von 1.783,5 m 2 beziehungsweise mit 123 Metern Länge und 14,5 Metern Höhe als das größte Rundbild der Welt bezeichnet werden kann. Tübke arrangierte hier rund 3.000 Figuren in diversen historischen Szenen, die in ihrer Gesamtheit einer dramaturgisch-hierarchischen Gesetzmäßigkeit verpflichtet sind, zu einer rhythmisch-dynamischen Komposition aus zeit- und kunstgeschichtlichen Zitaten, welche räumlich gestaffelt eine Bildeinheit ergeben, die trotz der narrativ-symbolischen Bildfülle und der multiperspektivischen Konstruktion der Bildebenen nicht auseinanderzufallen droht. Vielmehr gelang es Tübke, die dargestellten Szenerien unter Einbeziehung der Landschaften und Hintergründe zu einem Panorama zusammenzuziehen, welches aufgrund des Wechselspiels aus Ruhe und Dynamik sowie der effektvollen Hell-Dunkel Relationen eine magische Tiefenwirkung und eine geradezu „hypnotische Ausdrucksgewalt" 259 erzielt. Analog zu einigen anderen Werken des Malers vollzieht sich auch im allegorisch-narrativen Monumentalwandbild von Bad Frankenhausen der Wandel vom Allgemeinen hin zu einem individuellen Schicksal, während das imaginäre Damoklesschwert einer Unausweichlichkeit der Geschichte stetig über den dargestellten Ereignissen zu schweben scheint. Tübkes universal-apokalyptisches Theatrum Mundi, das in enzyklopädischer Weise eine gesamte Epoche erfasst und den Umbruch vom Spätmittelalter zur Neuzeitthematisiert, erzählt von dem rund zweijährigen Bauernkrieg im mitteldeutschen Raum und präsentiert die in der letzten Schlacht von 1525 untergegangene frühbürgerliche Revolution in Deutschland als Massenchoreographie. Zudem analysiert es den Zeitgeist und hinterfragt die gesellschaftlichen Aspekte dieser Epoche, indem es beispielsweise eine Fülle historischer Persönlichkeiten anführt, die den geistigen Aufbruch dieser Zeit repräsentierten: Neben dem revolutionären Bauernführer Thomas Müntzer sind Lucas Cranach, Albrecht Dürer, Johann Gutenberg, Hans Hut, Christoph Kolumbus, Nicolaus Kopernikus, Martin Luther, Paracelsus, Jörg Ratgeb, Tilmann Riemenschneider, Melchior Rinck, Hans Sachs und viele andere zu erkennen. Tübke stellt den Bezug zu volkstümlichen Mythologien her und spielt auf den zu der Zeit weit verbreiteten Aberglauben an; er erstellt Bestandsaufnahmen der sozialen Situation der Bevölkerung, formuliert kritische Äußerungen gegen die katholische Kirche und offenbart Anzeichen für die anbrechende Neuzeit. Zugleich ist Tübkes Monumentalbild aber auch als Pandämonium menschlicher Enthusiasmen und gleichsam als vielschichtiger Spiegel eigener Befindlichkeiten, Überzeugungen und Ideale zu deuten.» (Kenzler 2010, S. 624—625)

«Als die zwölf Meter breite und aus fünf Einzeltafeln bestehende 1:10-Fassung des Bauernkrieg-Panoramas, die bereits auf der „IX. Kunstausstellung der DDR" die unangefochtene Hauptattraktion dargestellt hatte, im April 1982 auf dem Schlachtberg unter der Leitung Tübkes auf die Originalleinwand übertragen werden sollte, beantragte dieser beim Ministerium für Kultur die Beauftragung von Künstlern aus Mexiko, die mit ihrer weit reichenden Erfahrung das Ausführungskollektiv fachkundig unterstützen sollten. Das Ministerium lehnte jedoch Tübkes Anliegen als „absolut undurchführbar" ab.» (Kenzler 2010, S. 627)

«Werner Tübke bestritt die vierjährige Ausführung der „Frühbürgerlichen Revolution in Deutschland" auf dem Schlachtberg im Thüringischen Bad Frankenhausen ab Mitte des Jahres 1983 schließlich mithilfe einiger Absolventen der Leipziger Kunsthochschule. Beteiligt waren der Maler Helmut Felix Heinrichs, Eberhard Lenk, Volker Potenz, Andreas Katzy, Matthias Steier und der Tübke-Schüler Dietrich Wenzel, die sich Tübkes Malweise anzupassen und unterzuordnen hatten. Für die Gestaltung des Monumentalbildes erhielt Tübke größtmögliche künstlerische Freiheit. Der Arbeitsprozess, der von zahlreichen Studienreisen Tübkes nach Italien und Spanien begleitet wurde und insgesamt über ein Jahrzehnt andauerte, wurde auf Staatskosten großzügig finanziert und stellte das bekannteste Beispiel für Staatskunst in der DDR dar. Gemäß den Vorstellungen der DDR-Führung avancierte die Bauernkriegs-Gedenkstätte mit Tübkes Panoramabild zu einem attraktiven Ausflugsziel, das noch heute zahlreiche Besucher anzieht.» (Kenzler 2010, S. 627, Anmerkung 267)

«Unter Leitung der beiden Akademiekollegen Gerhard Eichhorn und Heinz Wagner wurde 1982/83 eine Gruppe meist jüngerer Maler, vielfach Absolventen der Hochschule für Graphik und Buchkunst, dazu vereinzelt auch Theatermaler und Restauratoren, zur Mitarbeit an der Übertragung der Kontur auf die Großleinwand und der Endausführung des Monumentalwerkes verpflichtet, nachdem sich die Gewinnung russischer Gehilfen als unmöglich erwies.» (Panorama Museum Bad Frankenhausen, Werkstatt)

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