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dieser beitrag wurde verfasst in: deutsch (ger/deu/de)

verfasserin/verfasser: Peter Meyer

titel: Europäische Kunstgeschichte in zwei Bänden

+: Zürich 1947

«Eine figurale Kunst ist nur möglich, wo und insoweit die menschliche Persönlichkeit als unverletzlicher Wert anerkannt wird. Wie die Dichtkunst und die Monumentalarchitektur, so setzt auch die gegenständliche Malerei ein Wertsystem voraus, nach dem sie ihre Bildgegenstände ordnet und das als werthaltig Erkannte bestätigt und hervorhebt.» (Bd. 2, S. 337)

«Die Interesselosigkeit der modernen Kunst gegenüber dem Individuum findet ihre genaue Entsprechung in der Missachtung der Persönlichkeit in den politischen und sozialen Organisationsformen des Materialismus, unter denen Kapitalismus, Kommunismus und Nationalsozialismus nur austauschbare Spielarten der gleichen Vermassung bedeuten.

Wenn die Persönlichkeit nichts anderes ist als der Schnittpunkt materieller soziologischer Gegebenheiten und physiologisch bedingter Triebe, so ist in der Tat nicht einzusehen, warum sich die Maler besonders dafür interessieren sollten.

[…] Die unzerlegte Natur, wie sie dem Maler und dem Dichter vor Augen tritt, wird zum Gegenpol der modernen analytischen Interessen.» (Bd. 2, S. 339)

«Wenn ein Picasso – um ihn als Exponenten für viele zu nennen – die menschliche Gestalt nach Belieben zerstückelt, deformiert und auf elementare Grundformen reduziert, um Einsichten in ihre ästhetische Struktur zu gewinnen, die normalermassen von ihrer Gesamterscheinung im gleichen Sinn verhüllt ist wie der innere Körperbau von der Haut, so spricht daraus die gleiche Respektlosigkeit vor der unverletzten Schöpfung wie aus den wissenschaftlichen Menschenexperimenten an Gefangenen. Um Vorwände, die Zerstückelung zu rechtfertigen, ist weder die Kunst noch die Wissenschaft verlegen.» (Bd. 2, S. 342)

«Die abstrakte Kunst ist eine Randerscheinung der Technik, entstanden im Kontaktgebiet zwischen dem Bereich der Technik und der traditionellen Kunst.» (Bd. 2, S. 343)

«Im Gegensatz zur abstrakten Kunst hatte der Surrealismus wieder Abbilder der Wirklichkeit ins Bild aufgenommen – wenn auch in ironisierendem und dämonisierendem Zwielicht. Daraus liess sich eine neue Gegenständlichkeit entwickeln, die nun irgendwelche gleichgültige Objekte oder Landschaften mit hinterhältiger Nachdrücklichkeit bis ins letzte Detail abbildet – als 'magischer Realismus' oder 'Neue Sachlichkeit', wie sich die Bewegung selbst nannte. In Deutschland gleichen solche Bilder oft so sehr dienen der frühen, mit klassizistischer Schärfe malenden Romantiker, dass man im Zweifel bleibt, wo die Magie aufhört und die Biederheit anfängt. Auch hier meldet sich ein romantischer Zug im Zentrum der Modernität – und es lohnt sich, ihn weiterzuverfolgen.» (Bd. 2, S. 346)