dieser beitrag wurde verfasst in: deutsch (ger/deu/de)
Sergio Michilini, ein Partisan des politischen Muralismus der Jahrtausendwende
Der aus Norditalien stammende Maler ist von der 1968er-Studentenbewegung geprägt. 1948 geboren studierte er um 1970 in Mailand und Florenz Kunst. Damit ist er ein eher typischer Vertreter seiner Generation. Untypisch ist sein Umgang mit der künstlerischen Tradition. Er suchte nicht den ästhetischen Bruch wie viele damalige Kunststudienabgänger. Hingegen wandte er sich der Basisarbeit zu, indem er lehrte, Künstlergruppen und Schulen gründete und das traditionelle künstlerische Handwerk der Malerei, des Mosaiks und der Bildhauerei förderte und pflegte. Es ist somit kein Zufall, dass er in den 1970er-Jahren mit Vertretern des mexikanischen Muralismus in Kontakt kam und zusammenarbeitete. Michilinis Arbeitsweise und manches formale Element seiner Bilder lassen sich aus dieser Begegnung ableiten.
Im revolutionären Nicaragua der 1980er-Jahre war er einerseits mit einer massiven Präsenz des Graffiti, anderseits mit dem Analphabethismus – Voraussetzung eines funktionalen Muralismus – konfrontiert. Michilini führte das Handwerk der Wandmalerei von zwei Seiten her ein: als siqueirianischen Muralismus (raumgreifenden Propagandaträger mit dynamistischen Elementen) und aus der italienischen Tradition des Freskos und des Mosaiks heraus. Die von ihm und dem nicaraguanischen Maler Leonel Cerrato gegründete Schule ENAPUM-DAS lehrte diese Elemente und das praktische Knowhow lokalen Künstlern und internationalen Brigadisten in den Jahren des Contrakriegs. Hand in Hand arbeiteten panamensische, chilenische, mexikanische, nordamerikanische und europäische Muralisten an gemeinsamen Projekten. Michilini operierte unter anderem als Koordinator und organisierte Material und finanzielle Unterstützung.
In den Jahren nach der politischen Wende im kriegsmüden Nicaragua, als gleichzeitig auch die internationale Öffentlichkeit allmählich das Interesse an diesem entlegenen und armen Land verlor, lancierte Michilini neue langfristig angelegte Projekte wie den Zyklus im CEMOAR. Obwohl in der Folge sowohl die sozialen Projekte als auch die Gemälde selber allmählich verblassten, blieb er bis heute im Land und markiert auch verbal Distanz zu seinem Herkunftsland («Vista la impossibilità di poter lavorare dignitosamente e onoratamente in Italia, attualmente vive in esilio a Managua […]»). Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass er auch in Italien namhafte Spuren hinterlassen hat, vorallem in der Region Varese, in der sich das Herz der Bewegung der bemalten Dörfer Italiens befindet. Und auch die virtuelle Präsenz Michilinis hat ihre Basis in Varese. Das Newsportal Varese News beherbergt seinen Blog «La bottega del pittore», wo heute die meisten Informationen und eine Unzahl von Bildern zum nicaraguanischen Muralismus zu finden sind.