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dieser beitrag wurde verfasst in: deutsch (ger/deu/de)

verfasserin/verfasser: Jan Capol

titel: Die Sehnsucht nach Harmonie. Eine semiotische und mentalitätsgeschichtliche Interpretation der Fassadenbilder der Zürcher Baugenossenschaften

isbn: 3-905313-52-9

+: Zürich, 2000

«Aus den wenigen expliziten Aussagen der Genossenschafter, der Künstler und ihrer Kritiker lässt sich ein Profil der genossenschaftlichen Fassadenbilder abstecken.

Der Zweck der Bilder ist folgendermassen überliefert:

  • sie sollen schmücken
  • erzieherisch wirken
  • die Kolonien gefällig und geschmackvoll präsentieren
  • die Umgebung beleben und aufheitern
  • der Eintönigkeit, dem Schablonenhaften entgegenwirken
  • sie sollen ein schönes Wohnen ermöglichen
  • das Verständnis der einfachen betrachter wecken
  • den Menschen an die Kunst heranführen und
  • das Gemütsleben bereichern.

Die Bildmotive beziehen sich dabei ausdrücklich

  • auf die Arbeit
  • auf die Familie
  • auf die Genossenschaft und
  • sie sollen kraftvoll, frisch, originell sein
  • kräftigere Arbeitergestalten und
  • Haustiere zeigen
  • den Gedanken der Genossenschaft präsentieren
  • den Bewohnern und Bewohnerinnen menschlich nahestehen
  • reine nackte Körper zeigen
  • Knaben, Mädchen, Männer und Frauen abbilden und schliesslich
  • leichtverständliche Kunst sein.»

(S. 133–134)

«Unterscheiden sich die Bilder an den Wohnhäusern der Arbeiterbewegung einer protestantischen Stadt von jenen einer katholischen? Irene Nierhaus hat die Fassadenbilder am kommunalen Wohnungsbau der sozialistisch regierten, katholischen Stadt Wien der Nachkriegszeit untersucht und thematisch in elf Motivgruppen eingeteilt:

  • Familiäre und private Beziehungen
  • Soziale Kontakte und allgemeine Lebensbilder
  • Freizeit und Bildung
  • Arbeitswelt
  • Natur
  • Objektwelt (Stadtlandschaften, Autos, Häuser)
  • Allegorie und Volkskultur
  • Allgemeine Geschichte und Volkskultur
  • Nonfigurale Bilder
  • Anonyme Einzelpersonen
  • sonstiges.

Die religiöse Grundhaltung vieler Bilder ist auch in Wien zu finden, katholische Heiligenbilder jedoch, wie sie sonst im Wiener Stadtraum und an privaten Wohnhäusern zu finden sind, kommen an den Fassaden der Kommunalbauten nicht vor. Auffallend hingegen sei die grosse Zahl Historienbilder; an den Zürcher Genossenschaftsfassaden kommt hingegen nur ein einziges vor: Rudolf Mötteli übergibt 1476 seine Burg Regensberg an die Stadt Zürich. Was in Wien am stärksten ins Auge sticht, ist die Menge. Wenn ein konfessioneller Unterschied in den Fassadenbildern erkennbar ist, dann höchstens, dass es an den Wiener Kommunalbauten mehr davon gibt.»

(S. 151)