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dieser beitrag wurde verfasst in: deutsch (ger/deu/de)

Die Entwicklung der Monumentalkunst im sozialistischen Block

Während in der Sowjetunion der späten 1930er- bis frühen 1950er-Jahre monumentale Leinwandgemälde, von Künstlerkollektiven primär für das Museum hergestellt, in Auftrag gegeben wurden, erwachte während der Chruschtschew-Ära das Interesse am amerikanischen Muralismus. Die zunehmend moderne Formensprache industriell hergestellter Bauten wurde ergänzt durch grosszügige Dekorationen, wie sie zeitgleich sehr ähnlich auch in Lateinamerika vorkamen. In den 1960er- und 1970er-Jahren erlebte diese Monumentalkunst ihre Hochblüte und wurde in Publikationen wie Dekorativnoe Iskusstvo vorgestellt. Heute werden die Werke dieser Epoche nicht selten samt der entsprechenden Architektur vernachlässigt, überformt oder zerstört.

In Ostdeutschland versuchten in den unmittelbaren Nachkriegsjahren Mitglieder der Künstleravantgarden Deutschlands wie der Assoziation revolutionärer bildender Künstler Deutschlands ASSO wieder Fuss zu fassen. Um 1948 begann sich eine eigentliche Wandbildbewegung herauszubilden. Viele dieser Künstler wurden jedoch alsbald Opfer einer Gängelung und Schikanierung durch Kulturfunktionäre, die den Optimismus einer Malereipropaganda stalinistischer Prägung der expressionistischen und neusachlichen Tradition moderner Malerei in Deutschland vorzogen.

Horst Strempel, René Graetz, Arno Mohr, Trümmer weg, baut auf! Bahnhof Friedrichstrasse, Berlin, 1948 (1951 übertüncht)

Künstler wie Horst Strempel gerieten im Ost-West-Konflikt nicht selten zwischen Hammer und Amboss: im Osten unter Druck wegen abweichlerischer Ausdrucksformen (oder "Formalismus") wurden sie im Westen, wo Informel und abstrakter Expressionismus gefeiert wurden, komplett ignoriert. «Horst Strempel ist wohl der einzige Maler, den beinahe jeder Berliner Arbeiter kennt. Denn Strempel hat jenen überlebensgroßen Werktätigen mit Spitzhacke entworfen, der in der Schalterhalle des sowjetsektoralen Bahnhofs Friedrichstraße oberhalb der Toiletten dahinstürmte.» (Der Spiegel, 21.10.1953)

Im Zuge der Bitterfelder Konferenzen 1957 und 1964 wurde der Versuch unternommen, die Künstler in die Betriebe zu führen und zugleich die Betriebe (oder Kombinate) zur Auftragsvergabe an Künstler zu ermuntern. Diese Zusammenarbeit brachte neben umfangreichen Sammlungen auch monumentale Werke hervor. Verbände, Parteiorganisationen und staatliche Institutionen gaben ebenfalls Werke am Bau in Auftrag. Nach dem Verfall des sozialistischen Staats und seiner Organisationen ab 1989 verschwanden manche dieser Werke hinter Fassadenisolationen oder Werbedisplays, wurden demontiert und eingelagert oder dem Verfall überlassen.

Abbildung Werner Tübke, Asien (aus: Fünf Kontinente), 1958, Hotel Astoria, Leipzig (seit 1996 eingelagert)

Abbildung Gerhard Bondzin, Der Weg der roten Fahne, 1969, Kulturpalast Dresden (seit 1990 durch Baunetz verdeckt)

Abbildung Willi Neubert, Internationale Solidarität, 1977–78, ehemals Stadthalle Suhl, heute Stahlwerk Thale, Sachsen-Anhalt

Abbildung Bernhard Heisig, Sgraffito, 1969, Gästehaus des DDR-Ministerrats, Leipzig (Foto: Margret Hoppe, 2006)