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dieser beitrag wurde verfasst in: deutsch (ger/deu/de)

verfasserin/verfasser: Verband Bildender Künstler der Deutschen Demokratischen Republik

titel: Bildende Kunst, Heft 12 (1986): Themenheft Mexikanische Kunst

+: Berlin (DDR), 1986

«In den dreißiger und beginnenden vierziger Jahren erreichte die Wandmalereibewegung mit den Meisterwerken Orozcos, Riveras, Siqueiros und anderer Künstler ihren qualitativen Höhepunkt. Die grösste Anzahl Wandbilder entstand in den fünfziger und sechziger Jahren. Die Mehrzahl von ihnen hatte jedoch längst nicht mehr die Kraft der früheren Phasen, und auf das einstmals wahrhaftig vorhandene Pathos folgte häufig eine vordergründige Pathetik.»

«Ihre Rezeption [diejenige der Wandmalereibewegung in Mexico] begann in Deutschland bereits um die Mitte der zwanziger Jahre. Sie wurde durch Alfons Goldschmidt eingeleitet, zu dessen 1925 veröffentlichtem Buch 'Mexico' Diego Rivera 14 Illustrationen schuf. Es sind Zeichnungen, in denen Motive aus seinen F[r]esken im Erziehungsministerium in Mexiko-Stadt erscheinen. Wolfgang Kießling wies darauf hin, daß durch dieses Buch, einen Mexikofilm, Artikel und Vorträge 'Goldschmidt, ohne es zu wollen, eine regelrechte Mexikomode auslöste. Zeitschriften brachten Mexikoreportagen, und viele, die es sich leisten konnten, reisten nach Mexiko. Von 1925 bis 1933 erschienen fast jedes Jahr meherer Bücher deutscher Autoren über dieses Land' [W. Kiesling, Der Weg nach Mexiko, in: A. Goldschmidt, Mexiko/ Auf den Spuren der Azteken, Leipzig 1985, S. 30]. […] In dem 1927 herausgegebenen Buch 'Auf den Spuren der Azteken' widmete Goldschmidt Rivera ein ganzes Kapitel. Im selben Jahr hielt sich Rivera auf der Durchreise in die Sowjetunion kurz in Deutschland auf und besichtigte unter anderem die Barkenhoff-Fresken Heinrich Vogelers in Worpswede. Ein Jahr später erschien im Neuen Deutschen Verlag die erste Rivera-Monographie mit einem autobiographischen Text des Künstlers und zahlreichen Abbildungen seiner Wandbilder im Erziehungsministerium und in der Landwirtschaftsschule von Chapingo.»

«Zu einem besonderen Ereignis wurde der Besuch Diego Riveras in der DDR im März 1956. Die kahlen Brandmauern und Giebelwände im noch immer stark zerstörten Berlin provozierten den Künstler. Er regte eine Wandmalerei-Initiative an, von der zahlreiche Künstler unseres Landes begeistert waren, die aber auch heftige Diskussionen auslöste. Am 29. März 1956, einen Tag nachdem Rivera in einer Sondersitzung der Akademie der Künste zum Außerordentlichen Mitglied beruen worden war, unterzeichnete er gemeinsam mit DDR-Künstlern eine entsprechende Resolution. In ihr unterbreitete man der Regierung der DDR und dem Magistrat von Berlin den Vorschlag, die freien Giebel für den Lohn von Dekorationsmalern zu bemalen, 'damit der Eindruck von Ruinen und Friedhof sich zu einer farbigen Stätte der Freude und unserer großen sozialistischen Zukunft verwandelt' [Bildende Kunst, Heft 5/1956, S. 285]. Die euphorischen Pläne konnten nicht verwirklicht werden. Auch Rivera kehrte nicht zurück, um seinem Versprechen gemäß an einem solchen Vorhaben mitzuwirken, denn eineinhalb Jahre später starb er nach längerer Krankheit.»

(Editorial, S. 532–534)