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dieser beitrag wurde verfasst in: deutsch (ger/deu/de)

künstler: Ferdinand Gehr

titel: Malerische Gestaltung des Innenraums

jahr: 1955–58

adresse: Kirche Bruder Klaus, Oberwil ZG, Schweiz

+: «Gehrs Bilder wurden Gegenstand eines Streites mit gesamtschweizerischer Beteiligung. Emotionale Leserbriefe füllten die lokalen Zeitungen. Für Jahre spaltete sich die Bevölkerung und noch heute, so die Sekretärin des Pfarramtes, sollen sich gewisse Oberwiler Familien nicht wieder ausgesöhnt haben. Im Jahr 1956 waren Entwürfe von der Baukommission zur Ausführung bestimmt worden und auch das bischöfliche Ordinariat in Basel gab grünes Licht. Als Gehr 1957 das erste Wandbild mit der Darstellung Christi, der an die Gläubigen die Kommunion verteilt, ausgeführt hatte, begann es im Dorf zu brodeln. Gehrs flächenhaft abstrahierende Malerei, die von satter expressiver Farbigkeit geprägt ist, wurde als «Farbgekleckse» auf dem «Niveau der Neger- bzw. Kinderkunst beschimpft. Anstoss erregte auch die «unsorgfältige Arbeitsweise», die einerseits die Pinselstriche sichtbar lässt und andererseits auf Details und genaue Ausformulierungen verzichtet. Gegenstand heftiger Kritik waren schliesslich die zu farbigen Kürzeln abstrahierten Engel. Verunsichert durch die Reaktionen, liess das bischöfliche Ordinariat ein Gutachten bei Prof. A. Schmid einholen, der auf kritische Distanz zu den Bildern ging. Er schreibt von «farblichen chen Entgleisungen, etwa im Inkarnat», und schlägt vor, dass Gehr die Bilder überarbeiten solle, damit er den «Vorwurf mangelhafter Sorgfalt und Ehrfurcht vor dem Thema» entkräften könne. Der Künstler musste darauf den Heilsgestalten und Gläubigen auf den Bildem Gesichter aufmalen. Emotional aber waren auch die Voten der Befürworter: «Woher nehmen wir das Recht, unseren Kindern auch in Kunstbelangen noch das Erbe des letzten Jahrhunderts aufzuzwingen?» Und an anderer Stelle: «Nein – ich kann und will nicht glauben, dass ein solcher Rückschritt in dem freiheitsliebenden Land möglich ist, dessen moderne Kirchenkunst in der ganzen christlichen Welt als Vorbild geachtet und gelobt wird.»

Im Jahr 1959 konnten die Gegner, die inzwischen rechtliche Schritte gegen Gehrs Bilder unternommen hatten, eine Kirchenversammlung erzwingen. Mit 575 gegen 519 Stimmen sprachen sich die Oberwiler gegen Gehrs Bilder aus und forderten eine Übermalung. Als die Kosten für eine Übermalung bekannt wurden, entschloss man sich für eine billigere Variante. Gehr musste die Bilder zuerst fertigmalen (!), dann verhängte man sie mit einem Vorhang. Sieben Jahre später war die Zeit reif geworden für Gehrs Bilder: Die Hüllen fielen. Bescherten die hitzige Auseinandersetzungen der Bruder-Klaus-Kirche in Oberwil einst Massenbesuch aus der ganzen Schweiz, so fristen die Bilder heute ein ruhiges und ungestörtes Dasein, unbeachtet vom Kunsttourismus.» (Lutz, 1999)

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