www.mural.ch: werke

dieser beitrag wurde verfasst in: deutsch (ger/deu/de)

künstler: Joseph Maria Olbrich

titel: Genien in Blumenhecke

jahr: 1901

adresse: Ernst-Ludwig-Haus (Südfassade), Künstlerkolonie Mathildenhöhe, Olbrichweg 15, Darmstadt, Deutschland

+: «Der Grossherzog [Ernst Ludwig], der 1892 in Hessen die Regierungsgeschäfte übernommen hatte, nutzte die Vision einer umfassenden Gestaltung der Lebensbereiche und der Harmonisierung von Kunst und Handwerk des jungen Wiener Architekten Joseph Maria Olbrich. Nach der Eröffnung der ersten Ausstellung in dem von ihm erbauten Gebäude der Wiener Secession forderte der knapp dreissigjährige Olbrich eine Stadt als Bauaufgabe oder mindestens ein Feld, um eine Welt zu schaffen: '[…] ein Feld; und da wollen wir dann zeigen, was wir können; in der ganzen Anlage und bis ins letzte Detail, alles von demselben Geiste beherrscht, die Strassen und die Gärten und die Paläste und die Hütten und die Tische und die Sessel und die Leuchter und die Löffel Ausdruck derselben Empfindung, in der Mitte aber, wie ein Tempel in einem heiligen Haine, ein Haus der Arbeit, zugleich Atelier der Künstler und Werkstätte der Handwerker […].' Auf diese Forderung ging Ernst Ludwig ein, der seine Künstlerkolonie realisieren wollte und in Olbrich den geeigneten Künstler fand. […] Olbrich entwarf das Ernst-Ludwig-Haus als Ateliergebäude mit einer 55 Meter langen Schauseite und einem Portal in der Form eines monumentalen Omega. Flankiert wird das Portal von den beiden kolossalen Skulpturen Mann und Weib von Ludwig Habich, die als Adam und Eva der neuen Kunst die Potenzen des Schaffens und Empfangens verkörpern. In der Nische krönen in einer ornamentierten Blütenhecke zwei Genien die neue Kunst mit einem Lorbeerkranz. Goldene Lettern verkünden im Triumphbogen pathetisch die verkürzte Formel von Hermann Bahr für die Wiener Secession: 'Seine Welt zeige der Künstler, die niemals war, noch jemals sein wird.' Man muss den feierlichen Darmstädter Wahlspruch konfrontieren mit den praktischen volkswirtschaftlichen Zielen und den äthetischen Bedürfnissen des Grossbürgertums, die für die Künstlerkolonie bindende und unbestrittene Verpflichtungen waren. Die Künstler um Olbrich mystifizierten aber ihre Rolle, indem sie sich als Priester-Führer verstanden, die zwar die Inkongruenz ihrer Welt mit der vorliegenden verkündeten, aber ihre Sendung in der sozialen Harmonie, der Künstlerischen Gestaltung der Lebensbereiche und der Förderung der hessischen Wirtschaft sahen.» (Bätschmann 1997, S. 162—163)