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dieser beitrag wurde verfasst in: deutsch (ger/deu/de)

künstler (in grau: assistent/in): Hans Erni, Konrad Farner, Max Huber, Walter Linsenmaier, Bruno Meyer

titel: Die Schweiz, das Ferienland der Völker

jahr: 1939

adresse: Schweizerische Landesausstellung Zürich, Abteilung Die Schweiz, das Ferienland der Völker (heute: Sammlung des Schweizerischen Nationalmuseums, Affoltern am Albis, Schweiz)

+: Kaseinfarbe auf Sperrholz, 136 Paneele, 5 x 91 m. Farbschicht 2003–06 gesichert mit JunFunori und Störleim

«[…] Die Schweiz, das Ferienland der Völker für die Landesausstellung in Zürich-Wollishofen, jener Bilderbogen, der sich 1939, am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, tief ins kollektive Gedächtnis einer Generation eingraben sollte. Dieses monumentale, im Auftrag des Eidgenössischen Amtes für Verkehr, der SBB und der PTT angefertigte Temperagemälde wird nicht mehr in einem Innenraum gezeigt [wie die Trois Graces in Luzern], sondern entlang der Rückwand des vom Architekten Otto Dreyer entworfenen Hotels unter dem schützenden Dach einer Vorhalle aufgebaut. Es ist fünf Meter hoch und über hundert Meter lang, besteht aus weit über hundert von Hand bemalten Sperrholzplatten, kombiniert mit objekthaften Elementen wie einem riesigen Wasserball oder einer realen Seilbahnkabine. Hier nutzt Erni unter anderem die Kompositionstechniken des innovativen Schweizer Plakatdesigns der 30er-Jahre für seine Zwecke und zitiert die Formensprache der Plakate von Herbert Matter und Walter Herdeg, die zu Ferien in die Schweiz oder zu Autofahrten über die Alpenpässe aufforderten. Das Programm für das sachlich-trockene, aber einem modernen Geschmack durchaus angepasste Panoramabild, dessen Ausführung Erni rund ein halbes Jahr beschäftigt, wird in zahlreichen Skizzen erarbeitet. Der Kunsthistoriker Gotthard Jedlicka erinnert sich unmittelbar am Ende der Landesausstellung an dieses Hauptwerk Hans Ernis: 'Sein Wandbild war ein riesiger und sehr witziger Werbeprospekt für Reisen in die Schweiz und für die schweizerische Geistesgeschichte. Und seine künstlerische Gestaltung schien sich gerade dafür ausgezeichnet zu eignen: eine Mischung von Primitivität und Raffinement, von Bauernmalerei und Photomontage.' Erni, der nie mehr ungegenständliche Bilder malen sollte, hatte im Sommer 1939 mit seinem Bild für die Zürcher Landesausstellung zwei Ziele erreicht, die ihm als Avantgardist unerreichbar geblieben wären. Er wurde 'gleichsam über Nacht berühmt', und 'sein Wandbild befriedigte, wie nur wenig andere, die Schaulust der Menge' [Jedlicka, 1940].» (Obrist, 2004)

«Oder Hans Erni: Als Mitglied der Pariser Gruppe 'Abstraction Création' schuf er Mitte der dreissiger Jahre völlig ungegenständliche Bilder […], aber in seinem Entwurf für ein Wandbild im Bahnhof Luzern gab er dem Motiv eines trauten Platzes im biedermeierlichen Luzern mit Trachtenelementen den Vorzug – 'eigentlich male er abstrakt, aber die Not dränge ihn zu gefallen'. So wandelte sich ein zweiter einstiger Avantgardist und schut für die Landesausstellung 1939 das hundert Meter lange Wandbild Die Schweiz, das Ferienland der Völker […], mit dem der Künstler zu jenem Konglomerat von Figuration und Abstraktion fand, das auch bei vielen anderen Schweizer Künstlern als gemässigte Moderne bezeichnet wird.» (Stutzer 2006, S. 68–69)

«Aber schon im Riesenformat Die Schweiz, das Ferienland der Völker, 1939 für die Landesausstellung in Zürich angefertigt […], strebte der Künstler eine Synthese von einem am Surrealismus orientierten fotografischen Realismus und freier, dekorativer Abstration an – eine Malweise, die er in den vierziger Jahren beibehielt und die ihm bei Fachkritikern den Ruf eines eigenständigen Künstlers eintrug […]. [Konrad] Farner hatte dem jungen Künstler davon abgeraten, den Ismen der Avantgarde mit ihren 'fast völlig entleerten Bildinhalten' zu folgen. Nach Farner besitzt Erni zwar kein Genie, aber Talent. Dieses dürfe die Grenzen nicht sprengen, sondern müsse sein Können in den Dienst einer verständlichen Botschaft stellen, die keineswegs an der Oberfläche der Dinge zu verweilen brauche.» (Vogel 2006, S. 288–289)

«Nach dem Abbau der Landesausstellung im Herbst 1939 wurden die 136 Tafeln des Wandbildes in Lagerschuppen der SBB aufbewahrt. 1990 ging das Wandbild als Schenkung der Generaldirektion der SBB an das Landesmuseum Zürich. 1989 wurde das Gemälde erstmals wieder in seiner ganzen Grösse im Verkehrshaus Luzern und zuletzt 1991 an der Nationalen Forschungsausstellung Heureka in Zürich gezeigt, in beiden Fällen im Freien.

Die Aufbewahrungs- und Ausstellungsgeschichte hat deutliche Spuren hinterlassen. Kratzer, Schleif- und Glanzspuren, sowie Hand- und Schuhabdrücke zeugen vom unzimperlichen Umgang mit den Tafeln. Als Träger der in Kaseintempera ausgeführten matten Malerei dienen auf Holzrahmen montierte Sperrholzplatten. Die Furnierschichten haben sich zum Teil voneinander gelöst, einzelne Ecken sind ausgebrochen. Im Holzmaserverlauf sind viele Risse entstanden. Die Malschicht hat sich samt Grundierung vom Träger gelöst und steht dachförmig und in Schollen ab, sie pudert stark. […]

Die Arbeiten am Wandbild beschränken sich auf die Konservierung des Gemäldes, also auf die Festigung von Träger und Malschicht. Sie sollen jeden weiteren Substanzverlust verhindern. Das Wandbild wird auf Grund seiner Materialbeschaffenheit immer ein fragiles Objekt bleiben, das einen sehr sorgfältigen Umgang verlangt. Präventive Massnahmen sorgen dafür, dass das Gemälde in Zukunft keinen neuen Schaden nimmt. Dazu gehören die sachgemässe Verpackung beim Transport und die Lagerung des Objektes in stabilem und für die Holztafeln adäquatem Klima im neuen Sammlungszentrum des Schweizerischen Nationalmuseums.»

(aus: Schweizerisches Nationalmuseum, Das Landi-Bild. Ein innovatives Konservierungsprojekt, ca. 2006)

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