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dieser beitrag wurde verfasst in: deutsch (ger/deu/de)

künstler (in grau: assistent/in): Alois Carigiet, Zarli Carigiet

titel: Allegro con spirito (Zirkusfiguren und Tiere auf Terrasse. Decke: Blumenstrauss mit Vögeln)

jahr: 1949–51

adresse: Muraltengut (Mittelsaal), Seestrasse 203, Zürich

+: Wand- und Deckengemälde, 400x1000 cm. Öl auf marouflierter Leinwand

«Im Jahre 1944 ging [der Landsitz] in den Besitz der Stadt Zürich über, die das Muraltengut zum städtischen Repräsentationsgebäude, und seine Anlagen zum öffentlichen Park ausgestaltete. Bei der Übernahme war der Hauptsaal im Erdgeschoss mit vier, für diesen Raum geschaffenen bukolischen Hirtenszenen von Karl Walser geschmückt, die vollkommen auf den klassischen Ton der Architektur abgestimmt waren, ohne deshalb im geringsten historisierend zu wirken. Es wird immer zu bedauern bleiben, dass diese Einheit von Malerei und Architektur, die heute so selten gelingt, zerrissen wurde, doch ist begreiflich, dass der frühere Besitzer die in seinem Eigentum verbliebenen Bilder nach seinem neuen Wohnsitz übertragen wollte.
Nun erhob sich also die Frage nach der Ausgestaltung des verwaisten Saales, in dem offizielle Empfänge und Essen bei festlichen Anlässen stattfinden. Ein Wettbewerb unter Zürcher Künstlern, zu dem auch andere Künstler eingeladen wurden, fand im Juli 1948 bei zahlreicher Beteiligung statt. Doch hinterliessen die 49 eingelaufenen Projekte in ihrer Gesamtheit einen deprimierenden Eindruck; trotz allem, was seit Hodlers Zeiten über Wandmalerei geredet und geschrieben wurde, zeigte nur ein ganz kleiner Teil der Projekte Sinn für die Eigenart der Wandmalerei, und ein noch kleinerer für den Zusammenhang zwischen Malerei und Architektur. Auch war die Versuchung gross, historische Vorbilder und Dekorations-Schemata nachzuahmen. Als der weitaus frischeste, persönlichste Entwurf wurde der von Alois Carigiet vom Preisgericht in den 1. Rang gestellt. Das Ergebnis hat diesem Entschluss Recht gegeben. Er bedeutete insofern ein Wagnis, als Carigiet vorher keine Wandgemälde ausgeführt hatte. Er kommt ursprünglich von der Graphik her und malte dann freie Gemälde in einer sehr persönlichen, angriffigen, aber farbig differenzierten Art, die Naturformen gegen das Abstrakte hin zuspitzt, sie zugleich vereinfachend und schärfend — aber nicht mit dem oberflächlichen Schmiss, mit dem sich Graphiker gern zufrieden geben. Ob die Welt des Zirkus für alle Anlässe, die in diesem Saal stattfinden, die richtige Begleitmusik darstellt, mag dahingestellt bleiben — nicht alle diese Anlässe sind auf den Ton fröhlicher Allotria gestimmt; die klassisch-bukolische Welt Walsers war neutraler, lautloser. Während Walser die strenge Geschlossenheit des klassischen Raumes durch seine Wandbilder bestätigt und gefestigt hatte, löst Carigiet die breite Rückwand des Saales auf in einen Ausblick auf eine Terrasse, auf der sich ungezwungen Zirkus-Leute und -Tiere bewegen. Man stellt aber alle Bedenken gern zurück vor dem Fait accompli einer schwungvollen, imponierend einheitlichen und ganz persönlichen Leistung, die die Verbindung mit der Architektur des Raumes vor allem durch die Farbe findet. Der Hintergrund der Szene ist ein lebendig in sich gestuftes, kühles, nobles Grau, vor dem sich die sehnig-mageren Formen als scharfe farbige Akzente abheben, durchaus diskret; nirgends ist ein formaler oder farbiger Akzent ins Breite, Fette, pompös Warme entwickelt.
«Allegro con spirito» nennt der Maler selbst den festlich-heiteren, geistreich- kühlen Ton, den er dem Raum durch seine Malerei mitteilen wollte, und auch wirklich mitgeteilt hat. Er klingt weiter in dem kristallenen Glitzern des grossen Murano-Kronleuchters, und das Grau und Schwarz des Gemäldes findet sein Echo in den schrägen, schwarz ornamentierten Facetten der venezianischen Spiegel an den Seitenwänden. Einen leisen offiziellen Akzent bringen dann erst die blauen Vorhänge an der Gartenseite, von Lissy Funk-Düssel heraldisch bestickt, mit kleinen goldenen Löwen als Wappenhalter des Zürcher Schildes.
Hoffen wir, dass sich das «Allegro con spirito» der Malerei als geistige Klarheit und Beweglichkeit auch auf die jeweiligen Besucher dieses Saales übertragen wird, zu dessen Ausstattung man allen Beteiligten gratulieren kann.»

(Meyer, 1951)

«Es sei hier daran erinnert, dass Le Corbusier angesichts dieser Arbeit, die bis heute nichts von ihre zauberhaften Wirkung eingebüsst hat, ausrief: ‹Voilà un maître! Qui a fait ça?›»

(Neuburg 1977)

Der Herrschaftssitz Muraltengut dient der Stadt Zürich zu Repräsentationszwecken und ist kaum zu besichtigen.

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