www.mural.ch: werke

dieser beitrag wurde verfasst in: deutsch (ger/deu/de)

künstler: Max Beckmann

titel: Der Strand

jahr: 1927

adresse: Volksbildungsheim, Frankfurt am Main, Deutschland

+: Öl auf Leinwand, 1,75 x 3 m. Nicht erhalten, 1937 beschlagnahmt und in der Ausstellung «Entartete Kunst» gezeigt, seither verschollen

«Das großformatige Beckmann-Bild, fast zwei mal drei Meter, war ein Auftragswerk der Stadt Frankfurt gewesen. Es war ursprünglich für ein öffentliches Gebäude geplant, das „Volksbildungsheim.“ In dieser kommunalen Einrichtung wurden in den Jahren der Weimarer Republik unter anderem Konzerte und Theateraufführungen organisiert. Die Finanzierung des Gemäldes kam daher von einer städtischen Stelle, der „Frankfurter Künstlerhilfe,“ zu deren Aufgaben auch die Förderung der Frankfurter Kunst durch den Ankauf besonders qualitätsvoller Arbeiten hiesiger Künstler zählte. 10.000 Reichsmark hatte man Beckmann gezahlt, der seit 1915 in Frankfurt lebte und seit 1925 an der städtischen Kunstgewerbeschule Malerei unterrichtete. […]

Die Leitung des Volksbildungsheims lehnte das Gemälde jedoch ab. Stattdessen überließ die Stadt das Werk dem Städel Museum, was in einigen Kreisen heftige Reaktionen provozierte: Eine religiöse Organisation bezeichnete es als „höchst unsittlich“ und verwies auf Paragraph 184 des Strafgesetzbuches, der die Verbreitung unzüchtiger Abbildungen untersagte. […]

Swarzenski war mit Max Beckmann eng befreundet und stand hinter der Erwerbung des Gemäldes. Er verfasste ein Gutachten, in dem er den Vorwurf der Anstößigkeit entschieden zurückwies. Ein Jahr später schickte er das Gemälde – nichtsdestotrotz – auf die Biennale nach Venedig. Und wieder erhitzten sich die Gemüter: In Italien sah man in dem Gemälde einen Angriff auf den Faschismus, in Deutschland erhoben die völkisch-national Gesinnten ihre Stimme gegen die Ausstellung des Gemäldes im deutschen Pavillon.

Keine drei Jahre später sollten sich mit der Machtübernahme der Nazis die Vorzeichen für die einst liberal und progressiv bestimmte Frankfurter Kunst- und Kulturpolitik drastisch ändern: Der neue Oberbürgermeister der Stadt, Friedrich Krebs, war NSDAP Mitglied und Ortstgruppenleiter des Kampfbundes für Kultur, einer radikalen Vereinigung, die 'undeutsche Kunst' anprangerte. Schon im April 1933 entließen die Nationalsozialisten Swarzenski aufgrund seiner jüdischen Herkunft aus seinem Amt als Generaldirektor der Städtischen Museen. Die expressionistische Kunst des Städel wanderte ins Depot. Beckmann verlor seine Professur an der Kunstgewerbeschule. Das 'Volksbildungsheim' war nun fest in den Händen der NS-Propagandamaschine 'Deutsches Volksbildungswerk', einer Abteilung der NS-Gemeinschaft 'Kraft durch Freude'. Bereits 1936 zeigte man in Frankfurt dort eine Vorläufer-Ausstellung „entarteter Kunst“ bestückt mit Werken von unter anderem Otto Dix und George Grosz.

Im Juli 1937 erschien im Städel Museum eine Kommission des Reichspropagandaministeriums, um Werke für die in München geplante Ausstellung „Entartete Kunst“ auszuwählen. […] Zehn Gemälde von Max Beckmann – auch das Strandbild – und zahllose Arbeiten auf Papier fielen der Beschlagnahmeaktion 'Entartete Kunst' zum Opfer. […]

Als die Frankfurter Station im neuen Ausstellungshaus der Stadt in der Bockenheimer Landstrasse 8 im Juni 1939 eröffnet wurde, war Georg Swarzenski, Beckmanns Freund und Förderer, bereits in die USA geflohen, Beckmann selbst lebte im Exil in Amsterdam. […] Bis heute unklar ist, wie viele Werke aus dem ehemaligen Besitz des Städel dort gezeigt wurden. Gesichert ist jedoch, dass das großformatige Gemälde Der Strand dort ausgestellt war. […] Das Ausstellungshaus in der Bockenheimer Landstrasse 8 wurde 1944 zerstört, seine unheilvolle Geschichte geriet in Vergessenheit. Dass an diesem Ort einmal die Ausstellung „Entartete Kunst“ Einzug gehalten hat, ist heute kaum noch bekannt. Und von dem schicksalhaften Hauptwerk der Ausstellung Der Strand (Am Lido) fehlt bis heute jede Spur.» (Schmeisser 2019)

  • beckmann_frankfurt01kl.jpg